Mittwoch, 16. Februar 2022

Plötzlich digital: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg erforscht ihren eigenen Online-Unterricht

Plötzlich digital: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg erforscht ihren eigenen Online-Unterricht

Vorlesungen finden nur noch am Monitor statt, die Mitstudierenden kennt man nur als briefmarkengroßes Videobild: Die reine Online-Lehre ist nicht jedermanns Sache. Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) wollte es genauer wissen und hat über drei Semester erforscht, wie gut die unterschiedlichen Studierendenpersönlichkeiten mit dem digitalen Unterricht zurechtkommen. Die Ergebnisse zeigen, dass eher besorgte Persönlichkeiten gerne alles schriftlich haben möchten, während die Extrovertierten die Videokonferenzen mögen. Eine Hochschule sollte daher die Persönlichkeitsmerkmale ihrer Studierenden kennen.

„Wir haben starke Belege dafür gefunden, dass Studierende mit unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen unterschiedliche Lehrmethoden bevorzugen“, fasst Andrea Schröder die Ergebnisse zusammen. „Daraus lässt sich ableiten, dass es für den Lernprozess der Studierenden wichtig ist, sich bei der Wahl der Lehrmethoden nicht nur an technischen Gegebenheiten, sondern auch an der Persönlichkeit der Studierenden zu orientieren und die Lehrmethoden entsprechend an diese anzupassen.“

Andrea Schröder lehrt als ehemalige Rechtsanwältin im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der H-BRS Wirtschaftsprivatrecht. Aufgrund der Covid-19-Pandemie konnte sie im Sommersemester 2020 ihre Lehrveranstaltungen nur noch in digitaler Form anbieten. Sie lehrt jedoch nicht nur, sondern ist auch administrative Direktorin des Zentrums für Innovation und Entwicklung in der Lehre (ZIEL) an der H-BRS und als solche auch mit der Erforschung der Lehre befasst. Aus diesem Grund war ihr sofort klar, dass das ZIEL die neue digitale Lehrsituation empirisch untersuchen sollte.

Gemeinsam mit der im ZIEL tätigen Wirtschaftspsychologin Alexandra Reher und dem Ingenieur und Wirtschaftspsychologen Michael Malschützky hat Andrea Schröder über drei Semester hinweg die Studierenden zweier Rechtsvorlesungen empirisch begleitet. Als Untersuchungsgegenstand diente ihre eigene Vorlesung und die ihrer Kollegin Sandra Rohleder. Etwa 300 Studierende wurden für die Studie befragt.

Um für ihre Studierenden in dem neu entwickelten digitalen Flipped-Classroom-Konzept 24 Stunden in der Woche und auch am Wochenende erreichbar zu sein, führten die beiden Lehrenden einen Instant Messenger ein. Im Lauf ihrer Untersuchungen wurde deutlich, dass vor allem die besorgten und gestressten Studierenden vom Einsatz des Instant Messengers profitierten. Diese lernten besonders häufig mithilfe der im Chat gestellten Fragen und den Antworten. Videokonferenzen hingegen wurden erwartungsgemäß besonders von hoch extrovertierten Studierenden positiv bewertet. Diese vermissen die Kontakte mehr als andere und brauchen mehr Gelegenheiten, ihre Kommilitonen und Lehrenden zu sehen.

 „Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Persönlichkeitsmerkmale der Studierenden bei der Auswahl digitaler Lehrmethoden zu berücksichtigen“, bilanziert Andrea Schröder. „Das ist gerade für die postpandemische Lehre eine wichtige Erkenntnis, die wir im ZIEL weiter erforschen werden.“