An aller Anfang stand die Leberwurst
Am 12. und 13. Mai 2023 fand im Rheinbacher Stadttheater die Aufführung des Theaterstücks „Der Selbstmörder“ von Nikolai Erdmann statt. Gespielt wurde die Komödie vom Literaturkurs der Jahrgangsstufe 11.
In dem Stück werden humorvolle, aber auch dunkle Aspekte miteinander verwoben: Der Protagonist Semjon Semjonowitsch Podsekalnikow (gespielt von Lilli Conrad) sieht sich im Verlaufe des Stücks mit vielen verschiedenen ethischen Fragen, die Leben und Tod betreffen, konfrontiert, als er dazu gedrängt wird, Suizid zu begehen. Aber was eine Leberwurst damit zu tun hat und warum niemand Semjon von seinem Selbstmord abhalten will, erfuhren die Zuschauer an diesen Abenden in zwei gelungenen Vorstellungen.
Mitten in der Nacht wird der arbeitslose Semjon Semjonowitsch von Appetit auf Wurst überfallen und weckt seine Frau Mascha (Isabel Müseler), die auf diese Störung mit Empörung reagiert – es eskaliert in Ehekrach im Ehebett und Semjon verschwindet. Mit der Sorge, dass ihr Ehemann nun Selbstmord begehe, mobilisiert Mascha panisch die sehr gläubige Schwiegermutter (Alexia Ajua) und den Nachbarn Alexander (Jonathan Völp), um Semjon zu finden und aufzuheitern.
Semjon selbst scheint immer mehr Gefallen an der Idee des Selbstmordes zu finden – endlich kann er seiner Frau einmal eine Lektion erteilen! Alle Aufheiterungsversuche scheitern, doch es gibt noch eine einzige Hoffnung: Wenn sie doch eine Kontrabasstuba auftreiben könnten, wäre das Semjons Rettung, und tatsächlich: durch Margarita (Sarah Koukasch/Naemie Kröker) leihen sie sich eine. Semjon fängt an, zu spielen, und nach einigen Versuchen kommt endlich ein schiefer, aber rettender Ton: Semjon will nun leben und als Musiker arbeiten.
Doch die Nachricht, dass Semjon Selbstmord begehen will, hat sich in der ganzen Stadt wie ein Lauffeuer verbreitet, und verschiedenste Menschen tauchen vor Semjons Tür auf und versuchen, ihren eigenen oder gesellschaftlichen Nutzen daraus zu ziehen – alle wollen Semjons Suizid als Märtyrertod für ihre Sache vereinnahmen: Aristarch Dominikowitsch (Emma Maiworm) im Interesse der Intellektuellen, der Pater (Klara Schaller) für die orthodoxe Kirche, der Schriftsteller (Damian Günther) für die Kunst, der Fleischer (Johannes Milambo) für den Fleischhandel, und die beiden Schönheiten Rajssa (Julie Ayeko) und Cleopatra (Annika Wegner), um einen anderen Mann zu beeindrucken. Semjon suhlt sich in der ungewohnten Aufmerksamkeit und nimmt die Rolle des heroischen Selbstmörders dankbar an, das einzige Problem: ihm fehlt in Wirklichkeit der Mut, sich zu erschießen. Die Gesellschaft aber hat ihm – im Wortsinn – schon eine Deadline gesetzt: Morgen um 12 Uhr soll es so weit sein. Doch anstatt zu sterben, betrinkt Semjon sich.
Sein Tod wird jedoch gefordert, und schließlich legt sich Semjon in den gelieferten Sarg und spielt den Toten. Alle scharen sich neugierig um den Toten und gaffen schamlos – nur Mascha hört nicht auf zu weinen und lässt sich auch nicht von Schwiegermutter und dem Eilbriefträger (Meike Kleefuß) beruhigen. Beim Begräbnis soll letzterer eine Rede halten, versteht jedoch alles falsch und hält freudig eine zusammenhangslose politische Rede. Die Trauerfeier eskaliert und alle vergessen den Toten, bis die Schwiegermutter wieder Ordnung in die Sache bringt und alle Abschied von dem Toten nehmen. Der Aristarch bittet Semjon um Verzeihung und küsst ihn – und Semjon umarmt ihn zurück! Die Bürger sind empört, doch Semjon erklärt, dass die Selbstmordgedanken sein Leben erst schön gemacht hätten. Es endet damit, dass sich ein anderer erschossen hat, sein Vermächtnis: „Podsekalnikow hat recht: Wozu leben?“
Das Theaterstück brachte der Literaturkurs unter der Leitung von Herrn Grodau und unterstützt durch ein großartiges Bühnenbild von Frau Viltz und ihrer Bühnenbild-AG und die Tontechnik (Lilou Jolly, Frederik Skiba, Florian Zwonarz) auf die Bühne. Nach fast einem Jahr der Vorbereitung im wöchentlichen Literaturkurs und einer intensiven Probenwoche, in der teilweise auch bis zehn Uhr abends geprobt wurde, waren alle Schauspieler in ihren Rollen und standen voll Adrenalin auf der Bühne. Neben der Organisation und Nervenbehalten bei Komplikationen lockerte Herr Grodau die Stimmung während der Probenwoche mit Humor auf und versorgte uns mit Ingwertee, der niemals fehlen durfte. Der ganze Schweiß, der in die Produktion gesteckt wurde, lohnte sich: das Publikum lachte während der Vorstellung und belohnte die Schauspieler zum Schluss mit kräftigem Applaus.