Es muss nicht überall im Stadtwald ein Baum gefällt werden können!
CDU und Grüne kommentieren „Kritik mit der Kettensäge“ zum Wald-Antrag
Es ist schon erstaunlich: Woanders ketten sich Menschen an Bäume, um diese vor der Fällung zu bewahren. In Rheinbach dagegen kämpfen aktuell die Fraktionen UWG, SPD und FDP dafür, dass auch weiterhin praktisch auf jedem Quadratmeter des Rheinbacher Stadtwaldes der Harvester tiefe Furchen zieht und die Kettensäge kreischt, um Bäume zu fällen. Im schlimmsten Fall, wie in den letzten Jahren geschehen, werden diese Bäume dann nach China oder Indien verkauft.
Die Fraktionen CDU und Grüne haben bei der Beratung im Fachausschuss und in einer Pressemitteilung bereits sachlich ihren Antrag zum Rheinbacher Stadtwald erklärt und begründet. In der öffentlichen Debatte wird aktuell jedoch immer wieder die Kettensäge an den Antrag angelegt. Deshalb nehmen einzelne Vertreter der Fraktionen CDU und Grüne hier kein Blatt vor den Mund, sondern kommentieren im Klartext die Kahlschlag-Kritikpunkte.
Frage 1: Verhindert Naturwald meine Erholung im Wald?
Kommentar: „Nein. Ein reißerischer Titel einer Pressemitteilung wie „Rheinbacher Stadtwald soll Erholungsgebiet für alle bleiben“ (9.2.2022) erweckt den Eindruck, die Fraktionen von CDU und Grünen wollten die Freizeitnutzung des Waldes einschränken. Dabei reicht ein einfacher Blick in den Antrag, um zu erkennen, dass dies nicht stimmt. Dort steht: „Der Rheinbacher Stadtwald mit seinen mehr als 800 ha dient verschiedenen Zwecken (…): Freizeit, Erholung und Tourismus, Forstwirtschaft, Umwelt- und Klimaschutz. Diesen Zwecken soll der Wald auch in Zukunft dienen“ und „die Besucher*innen werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten die Gelegenheit haben, einen ,Urwald im Werdenʻ zu erleben“. Im Wald ist man aus rechtlicher Sicht immer auf eigene Gefahr und muss mit waldtypischen Gefahren rechnen. Entlang der Wege beseitigt die Stadt jedoch sogenannte „Megagefahren“. Das soll auch so bei Wegen durch den Naturwald so bleiben.“ (Dr. Timo Wilhelm-Buchstab, Pressesprecher der CDU-Ratsfraktion)
Frage 2: Warum sollen bis zu 20 Prozent des Waldes aus der wirtschaftlichen Nutzung genommen werden?
Kommentar: „Auf dem angestrebten Zielbereich von 20 Prozent sollen keine Bäume mehr gefällt werden, sondern ihr volles Lebenspotential ausschöpfen können. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Idee nur von Rheinbacher CDU und Grünen. Nein die – damals aus CDU und SPD bestehende – Bundesregierung hat schon 2007 in ihrer „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“, das Ziel ausgegeben, dass bis 2020 5 Prozent des Waldes nicht mehr bewirtschaftet werden sollen. Dabei sollten öffentliche Wälder mit gutem Beispiel vorangehen und das Ziel übererfüllen. Stand 2019 waren es deutschlandweit aber erst 2,8 Prozent. Hier wollen wir in Rheinbach mit unseren ökologisch wertvollen Buchen- und Eichenwäldern, die in weiten Teilen bereits Naturschutz- und FFH-Gebiet sind, einen kleinen Beitrag leisten, zum Wohle der hier lebenden Tier- und Pflanzenarten, wie Schwarzspecht, Waldschnepfe, Wildkatze und viele mehr.“ (Nils Lenke, Stellvertretender grüner Fraktionsvorsitzender)
Frage 3: Muss der Förster den Wald nicht „pflegen“?
Kommentar: „In Äußerungen von SPD, UWG und FDP scheint der Glaube durch, ein Wald müsse „gepflegt“ werden. Da kommt ein tiefes Misstrauen gegen die Natur zum Ausdruck und ein Denkansatz, der zu einem Stadtpark passt, nicht zu einem Wald. Auch die Forstwirtschaft, in der Diskussion etwa durch den Leiter des regionalen Forstamtes vertreten, stellt es gern so dar, dass die Natur ohne die Eingriffe des Försters nicht klarkommt. Und von manchen wird jede Aussage der Forstwirtschaft als bare Münze genommen. Ja, Förster sind Experten für Wald. Aber Experten für einen bestimmten Bereich und es gibt weitere Waldexperten. Forst-Wirtschaft stellt – wie der Name schon sagt – die wirtschaftliche Nutzung des Waldes in den Vordergrund. Da müssen dann eben „wertvolle“ Baumarten gegenüber anderen bevorzugt werden und durch Durchforsten sollen die übrigen Bäume dicker und gerader wachsen. Die Holznutzung ist wichtig, aber eben nur ein Aspekt. Jeder Förster arbeitet nach bestem Wissen und Gewissen. Aber Forstwirtschaft ist weder fehlerfrei noch kann sie die Zukunft des Waldes exakt vorhersagen. Forstwirtschaft hat auch hier in Rheinbach seit etwa 200 Jahren die nicht einheimischen und nicht standortgerechten Fichten und Douglasien gepflanzt.“ (Tobias Hasenberg, grüner Fraktionsgeschäftsführer)
Frage 4: Warum machen wir nicht weiter wie bisher?
Kommentar: „Es ist durch den Klimawandel unmöglich, einfach nach der Devise „weiter so“ zu verfahren. Dies sieht man an den massiven Schäden an Fichte, Douglasie & Co. Seriös kann niemand, nicht die Forstwirtschaft, nicht die Naturschutzverbände und auch nicht die Politik sagen, wie genau es mit dem Wald in 50 oder 100 Jahren aussehen wird. Daher erscheint es ratsam, auf mehrere Strategien zu setzen: auf einem Teil der Flächen wird gewirtschaftet wie bisher, auf einem Teil wird der Förster neue Baumarten ausprobieren und auf einem Teil kann die Natur zeigen, wie sie mit dem Klimawandel zurechtkommt.“ (Kurt Brozio, CDU-Ratsmitglied)
Frage 5: Kennen Nabu und BUND unseren Wald denn?
Kommentar: „Die Naturschutzverbände, also die Fürsprecher der Natur, die ja nicht für sich selber sprechen kann, haben die Idee ausgesprochen begrüßt. Dies hat diese engagierten Ehrenamtlichen unsportlicher Kritik ausgesetzt. Ihre fachlichen Stellungnahmen werden diskreditiert, weil sie angeblich „von außerhalb“ kommen. Diese Argumentation wäre schon bedenklich, wenn die Prämisse wahr wäre – darf der Kreisverband Rhein-Sieg (in diesem Kreis liegt ja bekanntlich auch Rheinbach) des BUND zum Rheinbacher Stadtwald nicht Stellung nehmen, weil sein Sprecher nicht in Rheinbach wohnt? Aber schon die Prämisse ist falsch: der Vertreter des Nabu wohnt in Rheinbach und zwar so dicht am Wald, wie es nur geht, und setzt sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich für die Natur in Rheinbach ein.“ (Nils Lenke, Stellvertretender grüner Fraktionsvorsitzender)
Frage 6: Fehlt uns dann nicht das Geld aus der Bewirtschaftung der bis zu 20 Prozent, die stillgelegt werden sollen, und auch das Holz für den lokalen Markt?
Kommentar: „Nein, denn wie im Antrag ausgeführt, sollen die fehlenden Erlöse aus dem Einschlag von Holz durch neue Instrumente, wie den Verkauf von „Waldaktien“ oder CO2-Zertifikaten ausgeglichen werden. Auch gibt es öffentliche Fördermittel für Naturwald. Was das Holz angeht, so wollen CDU und Grüne die stoffliche Nutzung als Bau- oder Möbelholz gegenüber der als Brennholz stärken, so dass gar nicht unbedingt weniger Holz für diese Zwecke zur Verfügung steht. Dazu muss aber auch die lokale Nachfrage da sein; in den Vorjahren ist Holz aus dem Rheinbacher Wald nach China und Indien verkauft worden.“ (Heribert Schiebener, grüner Fraktionsvorsitzender)
Frage 7: Einen Prozentsatz für Naturwald zu fordern, reicht doch als Konzept nicht?
Kommentar: „Es ist schade, dass der aus 7 Punkten bestehende Antrag in der Diskussion auf nur einen Punkt verkürzt wird. Dabei finden sich dort noch weitere, wichtige Maßnahmen, die unseren Wald und seine Natur stärken werden, und die wir zusammen mit dem Stadtförster und unter Mitwirkung der Naturschutzverbände in den nächsten Jahren umsetzen werden. Und zwar zum Wohle aller Bürger, denen so auch in Zeiten des Klimawandels der Wald als Wasserspeicher, als Kohlenstoffsenke und als Ort der Erholung erhalten bleibt. Neben den bereits genannten Maßnahmen (bis zu 20 Prozent, Aktivierung neuer Finanzquellen, Bevorzugung stofflicher Nutzung) die Umstellung auf Zertifizierung nach FSC, einem bewährten Nachhaltigkeits-Label, den Verzicht auf exotische Baumarten im Naturschutz-/FFH-Gebiet und die Fortführung der Erweiterung unseres Waldes durch Flächenarrondierung.“ (Dr. Timo Wilhelm-Buchstab, Pressesprecher der CDU-Fraktion)