Dienstag, 4. Januar 2022

Zeit ist die falsche Skala

Zeit ist die falsche Skala

Pumpt man einen Reifen auf, so entscheidet der gemessene Druck und nicht die vergangene Zeit darüber wann das Pumpen beendet werden soll. Füllt man ein Gefäß mit Wasser entscheidet nicht der Blick auf die Uhr wann der Hahn zugedreht werden soll, sondern der Blick auf den Füllstand.

 Wie man die 1,5°C  Grenze für die Erderwärmung erreicht entscheidet nicht das Jahre der anzustrebenden Nullemission, sondern wie weit die Atmosphäre schon gefüllt ist oder anders, wie viel global noch in die Atmosphäre geblasen werden darf um das Ziel zu erreichen.

Wie groß das deutsche Einspar-Kontingent ist, das uns bis zur Nullemission gestattet ist, darüber entscheidet nicht nur die Bevölkerungszahl und nicht nur das, was wir aktuell hinaus blasen, sondern was wir in der Geschichte des industriellen Kapitalismus in der Atmosphäre abgeladen haben. Um es kurz zu machen: deutlich mehr, als unseren Anteil an der Weltbevölkerung beträgt. Und was wir hineingeblasen haben verbleibt dort für die nächsten 250 Jahre.

Aber es geht nicht nur um unseren Anteil, es geht auch darum, wie viel wir in die Atmosphäre blasen gemessen an denen, die wegen unseres Lebensstils Hunger leiden: Ein mittleren Kenianer stößt ein 25-tel, ein mittlerer Madagasse stößt ein 60-tel ebenso ein Äthiopier, ein mittlerer Somali stößt ein 150-tel von dem aus was der mittlere Deutsche ausstößt.

Die Zeit spielt genau dort eine Rolle, wo die Folgen unseres gnadenlosen Umganges mit der Verbrennung von Kohlenstoffen das tägliche Leben elend machen. Nicht nur bei lokalen Ereignissen wie die Flut in Deutschland 2021.

In Ostafrika leiden die Menschen an einer jahrelangen Klimawandel bedingten Dürre. Nahrungsmittel können nicht angebaut werden weil die Saaten nicht aufgehen, Vieh muss notgeschlachtet werden oder verendet ungenutzt und nimmt den Menschen damit auch das, was sie in Zukunft brauchen. Auf Madagaskar kocht eine Frau Schuhleder als Essen für ihre Kinder. Dort herrscht die größte Dürre seit es Wetteraufzeichnungen gibt.

Die Ostafrikaner haben nicht die Möglichkeit eine Regierung zu wählen, die ihre Not lindert oder gar in unseren Luxus zu hieven.

Deutschland aber hätte eine Regierung wählen können, die mit ihrer Politik wenigstens versuchte das Dürre -/ Flut -/ Sturm- Elend auf der Erde nicht ganz so schlimm werden ließe wie es bei „weiter so“ kommen wird – nicht nur für die in Afrika.

Was haben die Deutschen gewählt? Ungefähr 85% haben Parteien gewählt, von denen ein Teil zwar permanent vom Klimaschutz quasselt aber nichts Effektives tut und schon gar nicht getan hat.

Es hat sich eine Regierung gebildet, die nicht nur in Klimafragen von den Neoliberalen dominiert ist. Die wollen keine Beschränkungen im Verkehrssektor, die wollen, die das Problem lösen lassen, die das Problem geschaffen haben und es weiter befeuern – die Unternehmen.

Wobei die etwa 15% Grüne das Problem auch nicht entsprechend anpacken werden – immerhin ein wenig mehr, ließen sie sich nicht von der FDP den Schneid abkaufen zusammen mit einer Scholz SPD. Charakteristisch was der scheidende heutejournal-Redakteur auf die GA- Frage: „Wie waren Ihre Interviews mit Olaf Scholz…?“ antwortete: „Das ist einer der die Frage überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt. Der wartet bis der Interviewer aufhört zu reden und spult dann seinen Standard ab.“
Von einer solchen Ampel ist nicht zu erwarten, dass Sie bei der Frage nach Verantwortung und Gerechtigkeit auf Grün schaltet.

Aber bleiben wir auf dem Boden: Warum sollen wir uns einschränken beim Ausstoß von CO2 – nur um vielleicht ein paar tausend und seien es zigtausend Afrikaner vor dem Tod zu retten. Dafür sollen wir etwa auf die Freie Fahrt für freie Bürger im SUV verzichten? Die Freie Fahrt die uns gerade die FDP erhalten hat? Oder den Flug mal eben nach Australien? Oder die Kreuzfahrt in die Nähe der Antarktis? Das kann doch keiner ernsthaft von uns verlangen.

Wir lassen alles um unsere Insel der Seligen in Schutt und Asche versinken. Wichtig ist uns nur, dass von dort keiner zu uns kommt und um Hungerasyl bettelt. Aber dagegen haben wir glücklicherweise das Mittelmeer.

Peter Schürkes

Zum Thema
(1)https://www.welthungerhilfe.de/spenden-hunger-afrika-nothilfe/?wc=DGGOFM1000&gclid=EAIaIQobChMI7JCB6uKI9QIViPhRCh3E3wFTEAAYASAAEgI6IvD_BwE
(2)https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-965927.html
(3)https://www.zdf.de/nachrichten/heute-19-uhr/madagaskar-duerre-hungersnot-video-102.html
(4)https://de.euronews.com/2021/07/24/tausende-menschen-fliehen-vor-durrekatastrophe-auf-madagaskar