Donnerstag, 2. Dezember 2021

Offener Brief an Elke Heidenreich

Offener Brief an Elke Heidenreich

Anlass: Ihre Beiträge in der Talkshow bei Markus Lanz vom 12. Oktober 2021(1)

Was Sie zu den Beiträgen zu Kai Wegner gesagt haben ist z.T. kritisch zu sehen. Darauf soll hier aber gar nicht eingegangen werden. Ihre Mimik und manche Ihrer Laute jedoch waren respektlos. Sie sollten das unter (1) nochmal ansehen und beim nächsten mal versuchen dass Ihr Gesicht nicht zeigt was Sie denken, sowas kann durchaus verletzend sein.

Im weiteren Verlauf des Talks ging es u.a. um Sarah-Lee Heinrich die Bundessprecherin der Grünen Jugend und People of Color was inzwischen irrelevant sein sollte aber nicht ist, wie Teile dieser Sendung und besonders Ihre Beiträge zeigen. In der Sendung wird erwähnt, Frau Heinrich habe mit 15 Jahren mal in irgendeinem Medium geschrieben „Heil“. In der Sendung wird eine Sequenz aus einem Karakaya Talk(2) mit Frau Heinrich eingeblendet. Mit anderen People of Color im Talk geht es um die Beteiligung von People of Color bei Aktionen gegen die Klimakrise und welche Position sie darin einnehmen. In der eingeblendeten Sequenz hat sie gesagt: „.. und weil wir so ne ecklig weiße Mehrheitsgesellschaft haben …“. Jürgen Trittin danach gefragt was er davon hält erklärt sehr gekürzt, er könne gut nachvollziehen, dass jemand so reagiert, der  täglich ausgegrenzt wird. Und dann steigen Sie ein. Das Folgende ist im wesentliche wörtlich. Genau können Sie es ja noch mal nachhören – sollten Sie tun, es lohnt sich auch für Sie:

„ Also was sind immer alle sofort beleidigt. Eh wenn ich. Also erstens um mal bei diesem Mädchen zu bleiben bei Sara-Lee Heinrich – Sara?. Sie hat gar keine Sprache, sie kann überhaupt nicht sprechen, wie wir gerade gehört haben. Das sind wieder Kinder die nicht lesen das ist diese Generation von der ich immer wieder merke wie sprachlos sie ist, unfähig mit Worten umzugehen. Zweitens dass sie so über die Gesellschaft redet das ist unbenommen.“

Dass Sie von Frau Heinrich als Mädchen reden zeigt, dass Sie sie nicht für vollnehmen.
Ihr Problem Frau Heidrich scheint auch zu sein, dass Sie über Dinge reden, die Sie nicht kennen. Hätten Sie sich – was man erwarten würde – vor der Sendung mal (2) angesehen aus dem die Sequenz stammt, Sie hätten nicht nur festgestellt, dass dort niemand beleidigt war, sondern ernsthaft darüber diktiert hat was wohl gewesen wäre hätte nicht Greta Thunberg, eine Weiße, sondern hätten   People of Color die Aktion initiiert, ob „Faradays for Future“ dann ein anderes Gesicht hätte. Sie hätten auch festgestellt, dass Frau Heinrich durchaus sprechen kann – auch hier lohnt es den Talk anzusehen – Sie lernten gegebenenfalls was mit Blick auf Ihren weiteren Beitrag bei Lanz lehrreich gewesen wäre. Dass Sie Frau Heinrich unterstellen, sie könne nicht sprechen, weil sie nicht lese mag eine typische „Erkenntnis“ einer Literaturkritikerin sein. Wobei man anmerken muss Ihr Beitrag im Talk war keine rhetorische Glanzleistung. Generell ist Belesenheit keine Garantie für gute Reden. Es kommt ein weiteres hinzu: Man kann für eine gegebene Rede noch soviel gelesen haben. Oft ist nicht entscheidend das man gelesen sondern ob man das Relevante gelesen hat oder eben nicht gelesen hat.

Zurück zu Ihrem Beitrag: „Aber drittens wenn einer aussieht wie sie (Frau Heinrich) frage ich natürlich wo kommst du her oder wo kommen sie her und zwar nicht um sie zu diskriminieren, sondern – alle sind immer wieder sofort diskriminiert und beleidigt, sondern weil ich sofort sehe die kommt nicht aus Wankelmütig oder Wuppertal, sondern die hat Eltern die von woanders kommen und ich finde das keine diskriminierende Frage. Wenn ich einen netten dunkelhäutigen Taxifahrer habe der perfekt kölsch spricht und ich frage wo kommen sie eigentlich her und er sagt meine Eltern sind aus Marokko. Ich finde da kein Problem das man fragt, man sieht es ja das gehört doch dazu und ich finde es wunderbar, dass wir so viele Menschen aus anderen Ländern hier haben die bei uns leben und sich auch wie Sara politisch engagieren bei den Grünen.“

Auch hier war Ihr Redebeitrag kein rhetorisches Glanzstück. Wichtiger ist der Hinweis Sie sind beim angesprochenen Thema nicht auf der Höhe der gesellschaftlichen Niveaus, sonst wüssten Sie was alle dazu wissen, die ein wenig zum Thema gelesen, gehört, gesehen haben. Sehen Sie sich mal (3) an. In der zweiten Minute kommt die Lernfrage für Sie: „Warum bekommen Schwarze noch immer die Frage gestellt: „Woher kommst du eigentlich?““ Es kommt auch nicht darauf an ob Sie - hier stellvertretend für Deutsche - eine Frage problematisch finden, sondern ob die/der People of Color das so empfindet. Da Sie auch auf den passenden Einwurf von Jürgen Triitin nicht adäquate reagiert haben, sei Ihnen (4) empfohlen. Der Beitrag ist zwar nach dem Lanztalck mit Ihnen entstanden, aber zum Lernen ist es nie zu spät.

Und wieder Sie: „Aber dass sie (Frau Heinrich ist gemeint) in jungen Jahren unterschrieben hat oder einen Tweet mit „Heil“, das geht eben gar nicht das ist überhaupt gar nicht komisch man kann alle möglichen Scherze machen wie viel Quatsch habe ich im Leben schon geredet als junges Mädchen, auch als ältere Frau, aber nicht „Heil“, es gibt gewisse Witze die sind off the record sie gehen gar nicht und das ist auch bei ihr der Fall und ich habe das Gefühl das ist ein Mädchen das nicht genug nachdenkt das hat überhaupt nichts mit Migration“ ( Lanz: „Sprecherin jetzt der Grünen Jugend“). Sie weiter: „ jaja, die Sprecherin der Grünen Jugend, sie kann ja gar nicht sprechen sie muss ja erst mal lernen richtig zu formulieren und da bin ich skeptisch dass man sagt, Hauptsache divers, Hauptsache Migrationshintergrund Hauptsache Quote das ist eben der falsche Weg „ Trittin wirft ein, dass die permanente Frage nach dem wo kommst du her auch bei Ämtern gang und gäbe ist. Sie wieder „Aber warum?  Das dürfen die auch nicht machen (Trittin wieder „Das empfinden diese Menschen im täglichen Leben als Ausgrenzung“) Sie: „Aber glauben Sie nicht, dass man sich auch wundern würde, wenn man den ganzen Abend zusammensitzt und ich nicht frage wo kommt deine Familie her“  (Trittin: „das ist was ganz anderes“) Sie: „Ja, aber das meine ich doch, das Miteinander“ (Trittin „Das Menschen dauerhaft gefragt werden sie seien eigentlich etwas anderes weil sie anders aussehen“) Sie: „Werde ich doch in Ägypten auch gefragt wo kommst du her, dann sage ich Alemania. Ich finde das bei Ämtern und so wenn die Pass haben, irgendwas brauchen finde ich desolat und obsolet  aber wenn ich dem Menschen begegne ist doch Grad meine Art mich zu freuen und zu fragen wer seid ihr und woher kommt ihr das ist doch eine positive Neugier und wenn heute sowas beleidigt sind, dass man niemand mehr etwas fragen darf will mir nicht in den Kopf.“

Was auffällt ist ihre undiszipliniertes debattieren – falls man das so benennen will. Jürgen Trittin ist glücklicherweise souverän genug um in diesem Talk Sie nicht zurechtzuweisen, wenn Sie ihn in einem Satz dreimal unterbrechen. Dass Sie in Ägypten souverän sagen können ich komme aus Alemania zeigt, dass ihnen nicht bewusst ist, dass Sie zu den privilegierten Weißen gehören. Das hat auch Joachim Gauck nicht verstanden wie sie in einer anderen Kolumne in dieser online-Zeitung lesen können. Die letzten beiden Sätze machen deutlich, People of Color sind für Sie exotische Wesen und genau das wollen und sollen sie nicht sein. Alle nicht, aber besonders die nicht, die Deutsche sind wie Sie.

Florian Klenk (der vierte Gast im Talk) zeigt Verständnis für einen Menschen in der Situation von Frau Heinrich und wirft verkürzt ein, dass er ja nicht weiß in welchem Zusammenhang „Heil“ gefallen ist und man es nur dann bewerten könne. Sie: „Aber „Heil“ ist schon was anderes“. Klenk will nach Kontext unterschieden haben. Lanz unterbricht wohl um ihn zu hindern seine Vorstellungen zu konkretisieren. Es lohnte sich für Sie Frau Heidenreich ihre Mimik in diese Phase zu beobachten. Lanz: greift von Ihnen auf „jeder ist sofort beleidigt“ und fragt was ist wenn man sich klar zum Gendern positioniert. Sie: „Ja, dann kriegt man auch eine auf die Nuss gendern ist für mich völlig unsinnig ich mag nicht sagen KünstlerInnen wenn ein Kunstwerk von einer Frau ist sage ich Künstlerin und wenn es von  Mann ist ist es ein Künstler ich kann nicht innerhalb des Wortes und des Satzes alle mit abgekacktem mit einbeziehen.“

Das muss man alles nicht kommentieren, das spricht für sich – nicht unbedingt für Sie.

Sie: „Herr je jeder will unbedingt in jedem Satz mit benannt und beachtet sein. Wenn eine einbeinige chinesische Taubstumme mit Migrationshintergrund eh ich weiß nicht wie was kommt noch alles die gerade zum Protestantismus konvertiert ist fühlt sich dann nicht angesprochen, wenn ich irgendwie über Protestantismus rede.“

Der Satz zeigt, dass Sie beim Sprechen nicht darüber nachdenken, was Sie sagen.
So nachdrücklich wie Sie das vorgetragen haben, kann man aber auch vermuten, dass Sie es ernst gemeint haben. Wenn dem so ist, stellt man fest Sie haben ein Problem mit Behinderten, Sie haben ein Problem damit, dass Menschen mit Migrationshintergrund sich an der Diskussion in der Gesellschaft beteiligen und dabei beachtet werden wollen.
Sie: „Ich werde noch verrückt also ich möchte hier wieder zu einer Art Normalität zurückkehren.“

 Sie reden dann noch eine ganze Weile über gendern, Frauen- und Männerliteratur, aber dass muss man nicht auch noch zitieren. Nur auch dies war keine rhetorische Glanzleistung. Wie erwähnt lässt sich das alles mit (1) nachvollziehen.

(1)https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-12-oktober-2021-100.html
(2)Karakaya Show vom 18.11.19, „Fridays for Future: zu weiß?“
https://www.youtube.com/watch?v=iXtzy2RLjc8
(3)https://www.3sat.de/gesellschaft/politik-und-gesellschaft/woher-kommst-du-eigentlich--schwarze-in-deutschland-100.html
(4)https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-politikum-gespraech/audio-wann-ist-man-deutsch-100.html

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