Schweigegang 2025 in Rheinbach - Peter Schürkes
In einer Welt, in der mehr und mehr das Recht der Stärkeren gilt, ist meine Vorstellung deutlich aus der Mode gekommen: das Mitgefühl für die Schwachen und Gequälten. Für die Getöteten kommt mein Mitgefühl zu spät.
Seit mehr als 30 Jahren organisieren wir den Schweigegang „Erinnern Gedenken Mahnen“ in Rheinbach mit. Erinnern, gedenken, mahnen gilt uns sowohl für die Vergangenheit, für die Gegenwart und die Zukunft. Der Schweigegang nimmt seinen Weg zu den Häusern vor denen Stolpersteine verlegt sind. Er erinnert und gedenkt, der Menschen, mit denen das deutsche Volk von 1933 bis 1945 auf unglaublich grausame, menschenverachtende Art umgegangen ist. Der Schweigegang mahnt auch Jahrzehnte nach dem Ende der Naziherrschaft, nie wieder derartiges geschehen zu lassen.
Wenn ich an das, was das deutsche Volk getan hat, denke, erfasst mich Grauen. Juden wurden auch mit Hilfe einer Datenverarbeitung von IBM fabrikmäßige getötet, zusammen mit homo- und bisexuellen Menschen, Menschen mit Behinderungen, nichtjüdischen Zivilisten, die des Ungehorsams, des Widerstands oder der Mitgliedschaft in einer Partisanengruppe beschuldigt wurden, Polen, politischen Gegnern und Andersdenkenden, Sinti, Roma und Menschen, die abwertend als „Zigeuner“ bezeichnet wurden, in Deutschland lebenden Schwarzen, sowjetische Kriegsgefangenen, sozialen Randgruppen, die abwertend als „Asoziale“ oder „Berufsverbrecher“ bezeichnet wurden, und Zeugen Jehovas.
Ich fürchte, ich habe nicht alle, deren wir gedenken sollen, genannt.
Der Schweigegang sollte auch die Gegenwart in das „Erinnern Gedenken Mahnen“ aufnehmen. Wir haben uns immer gefragt, welchen Sinn der Schweigegang haben kann, wenn er das nicht leistet. Er soll seit dem 7. Oktober 2023 an unschuldig feiernde Menschen erinnern, die von der Hamas getötet wurden oder als Geiseln starben. Auch das erfüllt mich mit Grauen. Besonders denken will ich an die inzwischen befreiten Geiseln, deren Eltern, Verwandte, Freunde und die anderen, die um das Leben der Geiseln bangten. Das Schicksal der gestorbenen Geiseln erfüllt mich mit Grauen, wenn ich daran denke, wie sie gequält wurden bis zum Tod. Ich sagte gerne, ich litte mit ihren Familien, Verwandten und Freunden, aber das käme einer Überschätzung meiner Person gleich.
So wie mich der Überfall der Hamas auf die friedlich Feiernden oder ahnungslos in ihren Häuser lebenden Menschen mit Grauen erfüllte, erfüllt mich der grausam, menschenverachtende Einsatz der israelischen Militärwalze mit Grauern.
Welches Ziel wurde mit der gezielten Bombadierung der Menschen im Gazastreifen verfolgt? Die Hamas auszulöschen? Selbst wenn es so geplant war, war es von vornherein zum Scheitern verurteilt, wie man nachträglich sieht, hat die Hamas alle Verluste durch Neurekrutierung ersetzt hat. Als Ziel der rechtsextremen in Teilen faschistischen Regierung unter Netanjahu wurde die Befreiung des Geiseln, wenn überhaupt als nachrangig, wie die Demostranten auf dem sogenannten Geiselplatz in Tel Aviv immer beklagten.Auf dem Platz warf der Cousin einer verschleppten Geisel dem Verteidigungsminister und dem Ministerpräsidenten vor, sie hätten fünf Ziele genannt, keines davon habe die Geiseln betroffen. Erreicht wurde die komplette Zerstörung des Gazastreifens.
Wichtigstes Ziel war für Netanjahu sein Machterhalt, auch um der Justiz zu entgehen, die ihn wegen Korruption und Bestechlichkeit angeklagt hat. Die Justiz kann aber nicht handeln, solange er an der Regierung ist.
Wenn ich in den Medien lese oder sehe, zum Beispiel auf arte: „Israel - Extremisten an der Macht“, welches Schicksal für die Palästinenser Netanjahus Verteidigungsminister Israel Katz, Polizeiminister Itamar Ben-Gvir und Finanzminister und Siedlungsminister Bezalel Smotrich vorgesehen haben, erfüllt mich das mit Zorn. Die von ihnen gehätschelte faschistische Siedlerbewegung träumt öffentlich die Ideologie, ihr Israel ginge vom Nil bis zum Euphrat, als ihr von Gott vermachtes Siedlungsgebiet. Wer dieser Gott auch immer sei. Das ist, eng betrachtet, der Osten Ägyptens, Palästina, Jordanien, Libanon und der Südwesten Syriens und des Irak.
Die Weltgemeinschaft – mit ein paar Ausnahmen – fordert eine Zweistaatenlösung für Palästina, auch als Voraussetzung für Frieden. Moshe Zimmermann, israelischer Historiker, Antisemitismusforscher, Professor emeritus an der Hebräischen Universität Jerusalem und Interviewpartner in Presse und Rundfunk in Deutschland, wenn es um Israel geht, erklärte unlängst: „Die Israelis wollen nicht, die Palästinenser können nicht.“ Der UN-Teilungsplan vom 29. November 1947 beschloss für Palästina einen Staat für Juden und einen für Araber. Der Staat der Araber existiert nicht, dafür stehen seit 3 Jahrzehnten Benjamin Netanjahu und der größte Teil der jüdischen Bevölkerung Israels.
Gäbe es zwei Staaten, hätten der Iran und weitere Feinde Israels einen Grund weniger, feindselig zu sein. Das Massaker am 7. Oktober 2023 hätte es nicht gegeben. 1.200 Menschen wären nicht ermordet worden, die Hamas hätte nicht 240 Menschen als Geiseln nach Gaza verschleppt, sie hätten keine Qualen erleben oder sterben müssen.
Es hätten 100.000 Menschen, darunter 30.000 Kinder, im Gazastreifen nicht sterben müssen, zigtausende Palästinenser hätten nicht Arme, Beine und Augen verloren.
Warum gibt es den Staat der Palästinenser nicht? Zurück zu Moshe Zimmermann: „Die Israelis wollen nicht, die Palästinenser können nicht.“
Schließt das Mitleid mit den vom 7. Oktober betroffenen Menschen das Mitleid mit den bombardierten Menschen aus oder umgekehrt? Beides Mal: Nein!
Es gibt kein Terroristen-Gen. Es sind die Umstände, die Lebensbedingungen, die Terroristen machen. Die Bedingungen aufzuzählen ist unnötig, weil jeder kritisch, nicht ideologisch verblendet, nicht fanatisch religiös denkende Mensch weiß, wie Terroristen Terroristen werden. Inklusive der Terroristen der Hamas, die am 7. Oktober 2023 mordend, vergewaltigend und verschleppend den Zaun durchbrachen, der sie bis tief unter die Erde einsperrt.
Im Juni 2023 habe ich eine Kolumne mit dem Titel: „Terrorist – Warum? Falsche Frage! Terrorist – Wodurch?“, hier veröffentlicht. Das war drei Monate vor dem grausamen Überfall der Hamas auf zum Teil friedlich feiernde Menschen. Der Beitrag wurde gerade nochmal veröffentlicht, siehe unten.
Wichtig ist: Es ist ein Unterschied, etwas zu verstehen oder etwas gutzuheißen!
Auf rheinbacher.de habe ich des Öfteren über Israel/Palästina geschrieben.
Der ehemalige israelische Premierminister Ehud Olmert hat am 09. November in einem Interview mit dem Deutschlandfunk die Gewalt extremistischer israelischer Siedler im besetzten Westjordanland verurteilt. Die Palästinenser würden dort Opfer von Gewalt und Gräueltaten. Er könne den Gedanken nicht ertragen, dass Israelis anderen das antäten, was ihnen selbst über Generationen hinweg angetan worden sei.
Ehud Olmert kritisierte die aktuelle, rechtsextreme Regierung Israels. Er wirft ihr vor, das Trauma der Angriffe am 7. Oktober zu instrumentalisieren, um eine Lösung des Konfliktes mit den Palästinensern zu verhindern. Extreme und messianische Haltungen bedrohten das Fundament des Staates Israel.
Auf den Trümmern von Rafah will die Regierung Israels ein Lager für 600.000 Palästinenser errichten. Ehud Olmert spricht am 14. Juli von einem »Konzentrationslager«. Die Hardliner der Regierung seien gefährlicher als jeder äußere Feind.
Zum Schluß!
Meine Sympathie gilt immer der schwächeren, gequälten, verstümmelten und getöteten. Das ist ist der Grund für mein Engagement für den jährlichen Schweigegang.
Meine besondere Empathie gilt den Palästinensern, die die Schuld der Schoah für uns sühnen. Während wir in der Mehrheit im Überfluss leben, leben sie unter zumeist unsäglichen Bedingungen ohne Freiheit, ohne einen eigenen Staat und in Unsicherheit, bedroht von einer menschenverachtenden Regierung Israels und fanatischen israelischen Siedlern.