Donnerstag, 14. November 2024

Kolumne “From the River to the Sea” oder “From Sea the to the River”

“From the River to the Sea” oder “From Sea the to the River”


Wer nach dem 7. Oktober 2023 den Kampfruf der Palästnenser und ihrer weltweiten Unterstützer “From the River to the Sea” verurteilte, aber nicht “From Sea the to the River”– es soll mal hier so zur Unterscheidung benutzt werden, also die „Ganz-Israel-“ oder „Groß-Israel-Ideologie“ macht sich der Einseitigkeit schuldig. “From the River to the Sea” wird immer Wunschdenken bleiben, “From the River to the Sea” ist Realität. “From the River to the Sea“ ist verbunden mit dem Ziel der Vertreibung der Israelies aus Palästina. Die „Groß-Israel-Ideologie“ setzt auf die Vertreibung der Palästinenser zumindest von ihren angestammten Gebieten, die ihnen durch die Verabschiedung des UN-Teilungsplans für Palästina von 1947 zugesprochen ist. Ziel war also das, was man heute als „Zweistaatenlösung“ bezeichnet. Dies ist mit der „Groß-Israel-Ideologie“, die Netanjahu seit 50 Jahren vertritt und die die allermeisten Israelis teilen, unvereinbar.

Moshe Zimmermann ist emeritierter Professor für deutsche Geschichte, Antisemitismus und Nationalismus an der Hebräischen Universität Jerusalem. Er ist in allen deutschen Medien zum Thema Palästina präsent. Sein Buch von 2024: “Niemals Frieden? Israel am Scheideweg”. Er schreibt darin: „Weil Israel auf Siedlungen, die wie Minen in der Westbank verstreut sind, nicht verzichten will“ käme es nicht zu einer Verständigung, sondern zur einer nächsten Auseinandersetzung (nach dem 7. Oktober 2023) und er fragte schon 2021: „Wer wird das Blut und den Preis aufbringen für wessen Hartnäckigkeit? Denn meist sind es nicht die sturen Scharfmacher, die am Ende den Preis bezahlen.“
Die „Groß-Israel-Ideologie“ Netanjahu und seiner rechtsradikalen Ministerrunde(-bande), von der die deutsche AfD viel lernen kann, besonders die Verteibung von Menschen, hat prominente ideologische Vordenker und „Vorhandler“. An erster Stelle steht der allseits hochgelobte David Ben-Gurion.

David Ben-Gurion zur Vertreibung: Die Vertreibung der Palästinenser durch die jüdische Seite war nicht von vornherein geplant. Ben-Gurion war lange Jahre Gegner einer aggressiven Haltung gegenüber den Arabern Palästinas. Es gibt viele Belegstellen die das zeigen. Zum Beispiel:

„Die arabische Gemeinschaft in Palästina ist ein organischer, untrennbarer Teil des Landes. Sie ist in das Land eingebettet. Die Araber bearbeiten das Land und werden bleiben.“

Doch spätestens mit den arabischen Unruhen von 1936 und den Ergebnissen der britischen Peel-Kommission von 1937 – die vorschlug Bevölkerungsteile zu verschieben -, wurde die Transfer-Idee unter Zionisten populär. Spätestens ab 1936 nahm der Gedanke an die Vertreibung der Palästinenser immer konkretere Züge an.

Ben Gurion: Wir werden sie im großen Stil vertreiben
David Ben-Gurion sagte vor dem 20. Zionistischen Kongress in Zürich, 7. August 1937:
„Die Verdrängung der [arabischen] Bevölkerung hat bereits stattgefunden im [Jezreel-] Tal, in der Scharon-Ebene und an anderen Orten. […]
Nun muss ein Transfer in einer ganz anderen Dimensionen durchgeführt werden.
In verschiedenen Teilen des Landes werden neue jüdische Siedlungen nicht möglich sein, wenn nicht auch die arabische Bevölkerung umgesiedelt [d.h. vertrieben] wird …
Es ist wichtig, dass dieser Plan von der [englischen Peel-] Kommission kommt und nicht von uns. […] Der Transfer der [arabischen] Bevölkerung ermöglicht uns ein umfassendes [jüdisches] Siedlungsprogramm. Zum Glück für uns hat die arabische Bevölkerung enorme verlassene Gebiete.
Die wachsende jüdische Macht im Lande wird unsere Möglichkeiten verbessern, einen großen Transfer durchzuführen. Sie müssen bedenken, dass diese Methode auch eine wichtige humane [sic!] und zionistische Idee enthält. [Nämlich] Teile eines Volkes [d.h. die Araber] in ihr eigenes Land zu transferieren und leeres Land zu besiedeln [gemeint war die jüdische Besiedlungen des “ganzen” Palästina einschließlich Transjordaniens und Teile des Irak.

Ben Gurion: Wir werden uns den Rest des Landes holen
Am 5. Oktober 1937 schrieb David Ben Gurion an seinen Sohn Amos: Ich bin mir sicher wir werden auch in allen anderen Teilen des Landes siedeln, sei es durch ein Abkommen und einem beidseitigen Verständnis mit unseren arabischen Nachbarn oder auf andere Weise. Wir errichten jetzt erst einmal einen jüdischen Staat, auch wenn er sich nicht über das ganze Land erstreckt. Der Rest wird mit dem Lauf der Zeit kommen. Es muss kommen.

Ben Gurion: Vertreibung ist nicht unmoralisch
Vor der Exekutive der Jewish Agency sagte Ben-Gurion am 12. Juni 1938. Ich bin für zwangsweise Umsiedlung. Ich kann nichts Unmoralisches darin sehen.
In derselben Sitzung sagte Menahem Ussishkin, führender Zionist und damaliger Leiter des Jewish National Fund (JNF), es sei nichts Unmoralisches an der Vertreibung von 60.000 arabischen Familien. Und Berl Katznelson, damals engster Freund und Berater von Ben-Gurion: Wir müssen uns auf einen umfassenden Transfer einigen.”

Im Unabhängigkeitskrieg von 1948 wurden rund 750.000 Araber aus den Gebieten vertrieben, die Israel besetzte. 800 arabische Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht.
1953 trat Ben-Gurion zurück und zog in den Kibbuz Sede Boker in der israelischen Negev-Wüste. Nachfolger wurde Mosche Scharet, der diplomatische Verhandlungen mit den Nachbarstaaten anstrebte. Das provozierte den Hadliner Ben-Gurion. Er sabotierte Friedensverhandlungen zwischen Scharet und Ägyptens Präsident Nasser. Ben-Gurion lehnte Verhandlungen und Kompromisse mit arabischen Nachbarstaaten ab, stattdessen sterbte er Bündnisse mit Staaten außerhalb des arabischen Raums an. In der zweiten Regierung von Ben-Gurion (1955-1963) begann 1956 der Sinaikrieg mit dem Angriff der israelischen Truppen auf Ägypten.

Die Ministerpräsidenten der Arbeitspartei: Golda Meir, Jitzchak Rabin und Schimon Peres orientierten sich an der Politik von Ben-Gurion, die israelischen Interessen mit militärischer Gewalt gegenüber den muslimischen Nachbarstaaten durchzusetzen, auch gegenüber dem Libanon.
Die Besiedlung Palästinas durch Juden beginnt weit vor der Gründung des isralischen Staates. Terrorismus ist ein Merkmal der „Beziehung“ zwischen Arabern und Juden – beiderseitig!
Es gibt kein „Terroristen-Gen“! Terroristen sind Opfer ihres Erlebens! Es macht einen Unterschied zwischen Verstehen und Rechtfertigen: zwischen dem Verstehen, warum Menschen zu Terroristen werden können, und dem (Nicht)Rechtfertigen ihrer Taten.
Zum Thema gab es in Juli 2023 die Kolummne:
Terrorist-Warum? Falsche Frage! Terrorist-Wodurch?


https://www.cafetelaviv.de/israel/zitate-david-ben-gurion-zur-vertreibung-der-palaestinenser/#Ben_Gurion_Wir_werden_sie_im_grossen_Stil_vertreiben (Quellenangaben dort)
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Ministerpr%C3%A4sidenten_von_Israel
https://de.wikipedia.org/wiki/Mosche_Scharet