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H-BRS aktuell: „Die Fähigkeit zu reparieren, muss neu gelernt werden“
Professorin Stefanie Meilinger ist Expertin für nachhaltige Technologien am Internationalen Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS). Im Interview spricht sie darüber, warum das „Recht auf Reparatur“, das die EU gerade auf den Weg gebracht hat, sinnvoll ist, welchen Beitrag die Hochschule leisten kann, und sie erklärt, welcher Faktor die größte Auswirkung auf die Ökobilanz von elektrischen Haushaltsgeräten hat.
H-BRS: Frau Meilinger, Sie forschen und lehren zum Thema Ökobilanz. Können Sie kurz erklären, worum es dabei geht?
Stefanie Meilinger: Wir fertigen sogenannte Lebenszyklusanalysen an. Dabei schauen wir uns gezielt ein Produkt, etwa eine Kaffeemaschine oder eine Computertastatur, an und untersuchen, welche Umweltauswirkungen dieses Produkt hat - und das eben während der gesamten Lebensdauer, von der Herstellung über die Nutzung bis hin zur Entsorgung.
H-BRS: Wie genau kann ich mir das vorstellen?
Meilinger: Im ersten Schritt zerlegen wir ein Produkt in seine Einzelteile und bestimmen deren Gewicht. Dann überlegen wir, wie diese Teile hergestellt wurden und welche Materialien verbaut sind. Außerdem schauen wir, wie das Produkt genutzt wurde und was damit geschieht, wenn es kaputt geht. Am Computer können wir dann auf der Grundlage existierender Daten berechnen, welche Auswirkungen das Produkt etwa auf das Klima hat. Im nächsten Schritt können wir dann Vergleiche anstellen: Was passiert, wenn ich eine der Komponenten austausche, oder wenn mein Toaster nicht in einem deutschen, sondern einem schwedischen Haushalt steht?
H-BRS: Warum spielen Ländergrenzen eine Rolle bei der Ökobilanz?
Meilinger: Es geht dabei nicht um die Länder an sich, sondern zum Beispiel um deren Strommix. In Schweden ist der Anteil der erneuerbaren Energien deutlich höher als in Deutschland. Bei Produkten, die über viele Jahre in einem Haushalt stehen, wirkt sich das enorm auf deren Umweltbilanz aus. Bei unseren Analysen hat sich gezeigt, dass die meisten Umweltauswirkungen in der Nutzungsphase im Haushalt entstehen. Privatpersonen können durch die Entscheidung für Ökostrom also einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
H-BRS: Mit dem „Recht auf Reparatur“ will die Europäische Union nun dafür sorgen, dass sich das Reparieren von Produkten im Gegensatz zum Wegwerfen und neu Kaufen wieder lohnt. Wie sinnvoll ist das für deren Ökobilanz?
Meilinger: Es ist natürlich ganz klar: Jedes neue Produkt muss erstmal hergestellt werden. Wir benötigen also neue Rohstoffe, verbrauchen Energie bei Produktion und Transport und auch beim Recycling des kaputten Geräts muss Energie aufgewendet werden. Ganz häufig sind auch nur vergleichsweise kleine Reparaturen mit einem geringen Materialaufwand nötig, die die Lebensdauer des Produktes verlängern, wie etwa der Austausch eines defekten Schalters. Wenn also die Möglichkeit besteht, etwas zu reparieren, ist das grundsätzlich immer nachhaltiger als der Neukauf.
H-BRS: Die EU-Vorgabe ist also aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Meilinger: Ja. Man sollte zuerst versuchen, ein kaputtes Gerät zu reparieren. Wenn es dann gar nicht mehr geht, dann kann man anfangen, die Materialien zu recyceln. Dann kommen wir zu einer wirklichen Kreislaufwirtschaft. Es ist aber klar, dass gesetzliche Regelungen nicht ausreichen, damit wieder mehr repariert wird.
H-BRS: Wie meinen Sie das?
Meilinger: Die Fähigkeiten und das Wissen zur Reparatur müssen wieder verstärkt ausgebildet werden. Außerdem müssen die Hersteller es überhaupt wieder möglich machen, ihre Produkte zu reparieren. Aber ich sehe da auch uns als Hochschule in der Pflicht, unseren Studierenden zu vermitteln, wie man Produkte im Hinblick auf ihre Umweltwirkungen verbessern kann. Dafür braucht es neben dem nötigen Fachwissen auch eine gewisse Kreativität. Auch die kann und muss gelehrt werden.