Hochschule Bonn-Rhein-Sieg übergibt Laborausstattung an ihre Partneruniversität in der Ukraine
Die Partneruniversität der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) in der Ukraine ist in der ersten Phase des russischen Angriffskriegs schwer beschädigt worden und hat einen großen Teil ihrer Ausstattung verloren. Angehörige der H-BRS haben Geld und Material gesammelt, damit Studium und Forschung an der Partneruniversität fortgeführt werden können. Laborelektronik und Computer sind nun auf dem Weg nach Tschernihiw in der Ukraine. Zwei ukrainische Universitätsmitarbeiter hatten sich auf den Weg nach Sankt Augustin gemacht, um die Ausstattung abzuholen.
Ein Geschenk im eigentlichen Sinn war es nicht, das Dmytro Sysa und Serhii Veremeychik aus der Ukraine mitgebracht hatten und Professor Marco Winzker überreichten: ein unförmiges Stück Metall in der Größe einer Streichholzschachtel, montiert auf eine Holzplatte. Das rostbraune Trümmerteil, erfuhr der sichtlich berührte Vizepräsident der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg von seinen Gästen, stammt von einer russischen Granate, die eines der Gebäude der Chernihiv Polytechnic National University (CPNU) verwüstet hat.
Gut 2000 Kilometer legten die beiden Mitarbeiter der CPNU in ihrem Kleintransporter zurück, um von Tschernihiw im Norden der Ukraine bis nach Sankt Augustin zu kommen. Es war ihnen wichtig, die Fracht persönlich abzuholen, die in der deutschen Partnerhochschule bereitstand. Den wertvollsten Teil des Transportguts bildeten schwer zu beschaffende Elektronikkomponenten, mit denen in der ukrainischen Universität ein Labor für digitale Kommunikationstechnik aufgebaut werden soll. Die elektronischen Bauteile sind mit Hilfe der Geldspenden gekauft worden, die Angehörige der H-BRS seit Dezember vergangenen Jahres auf ein eigens eingerichtetes Spendenkonto eingezahlt hatten. Aus diesem Etat war bereits im April ein dringend benötigter Stromgenerator finanziert worden.
„Die Bilder der stark beschädigten Universitätsgebäude haben uns die Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine noch einmal verdeutlicht und persönlich nahegebracht“, sagt H-BRS-Vizepräsident Winzker, der die Spendenaktion mitorganisiert hat. „Unsere Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine tun ihr Möglichstes, um in diesen schwierigen Zeiten mit Lehre und Forschung die Zukunft der Ukraine zu gestalten. Dies verdient größte Hochachtung. Mit der Ausstattung des Labors für digitale Kommunikationstechnik senden wir ein weiteres Zeichen unserer Solidarität und ich bedanke mich bei allen Hochschulangehörigen, die gespendet haben.“
Die Partneruniversität der H-BRS ist im März 2022 von russischen Bomben- und Granatenangriffen schwer getroffen worden. So sind etwa 4000 Quadratmeter Fenster zerborsten. Die komplette Heizungsanlage wurde zerstört, Dächer und Wände wurden schwer beschädigt. Zudem ging ein großer Teil der IT-Ausstattung und der Forschungsgeräte verloren. Seither arbeiten Universitätsangehörige mit viel Engagement und Improvisationstalent daran, die Gebäude und Labore instand zu setzen.
Entsprechend der Wünsche der Partner in der Ukraine hat die H-BRS zusätzlich zu der Laborausstattung auch Computer, Monitore, Drucker und WLAN-Verstärker zur Verfügung gestellt, die zuvor ausgesondert worden waren. IT-Ausstattung ist an der ukrainischen Universität sehr gefragt, denn die Studierenden können noch immer nur online an den Seminaren und Vorlesungen teilnehmen – eine Rückkehr auf den Campus gilt angesichts jederzeit möglicher Raketenangriffe als zu gefährlich.
Die Kooperation der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg mit der ukrainischen polytechnischen Universität besteht seit mehr als zwölf Jahren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beider Seiten forschten gemeinsam, etwa zur Temperaturregelung auf Basis künstlicher neuronaler Netze für Spritzgussmaschinen. Regelmäßig waren ukrainische Forschende an der Hochschule zu Gast, ukrainische Studierende schrieben ihre Abschlussarbeiten in Deutschland. Als Vermittler und Dolmetscher bei der jüngsten Spendenaktion fungierte Dr. Oleksandr Velihorskyi. Der aus Tschernihiw stammende Wissenschaftler arbeitet am Fachbereich Elektrotechnik, Maschinenbau & Technikjournalismus der H-BRS. Eigentlich hatte er seinen Forschungsaufenthalt in Sankt Augustin im Februar vergangenen Jahres beenden wollen. Aber nur einen Tag, bevor er in seine Heimat zurückfliegen wollte, brach dort der Krieg aus. Die H-BRS ermöglichte es ihm, seine Forschung in Deutschland fortzusetzen. Velihorskyi hofft, dass die Studierenden in seiner Heimatstadt bald auf den Campus zurückkehren können. Noch ist er aber angesichts der andauernden Kämpfe skeptisch und arbeitet daher am Ausbau der Online-Lehre mit. So hat er gemeinsam mit Kollegen der H-BRS ein Remote-Labor aufgebaut, in dem Studierende aus der Ferne Experimente an elektronischen Bauteilen durchführen können.
Für den Gastwissenschaftler ist es keine Frage, ebenso wenig wie für Professor Marco Winzker, dass die Zusammenarbeit zwischen den beiden Bildungseinrichtungen weitergehen wird. Ideen für gemeinsame Projekte gibt es einige. So haben sich Dmytro Sysa und Serhii Veremeychik, bevor sie sich auf den 2000 Kilometer langen Rückweg in die Ukraine machten, von Professor Winzker das neue, intuitiv zu bedienende Filmstudio der H-BRS zeigen lassen. „Wir bleiben dazu im Austausch“, sagt Winzker. „Wenn unsere ukrainische Partneruniversität etwas Vergleichbares aufbauen will, unterstützen wir das sehr gerne.“