AWO will Kitas neu denken
3-Säulen-Modell will Beschäftigte von fachfremder Arbeit entlasten, besser Perspektiven für Kitapersonal schaffen und die Ausbildung verbessern
Bonn/Siegburg, 9. August 2023 – Die Arbeiterwohlfahrt Bonn/Rhein-Sieg will die Beschäftigten an Kindertageseinrichtungen von Arbeiten entlasten, für die keine pädagogische Fachausbildung notwendig ist. Diese Tätigkeiten sollen andere Kräfte ausüben. Die Forderung ist Bestandteil eines auf drei Säulen basierenden Konzepts, mit dem die AWO den Personalmangel an Kitas beseitigen will. Außerdem müsste deutlich mehr getan werden, um vorhandene Fachkräfte zu halten und neue zu gewinnen, etwa durch Aufstiegschancen, zusätzliche Qualifikationen oder Investitionen in die Ausbildung.
Die AWO sieht dafür das Land NRW in der Pflicht, von dem sie ein Bekenntnis zur hochwertigen Kinderbetreuung in Kitas erwartet.
„Mindestens jede vierte Stunde verbringe ich damit, zu spülen, den Tisch zu decken, Betten zu beziehen oder Wäsche zu waschen.“ So schildert Vanessa Weber ihren Arbeitsalltag als Erzieherin in einer Kita in Sankt Augustin. „Als Kita-Leiterin muss ich mich außerdem noch um das Gebäude, die Außenanlage, Verwaltungsarbeiten und die Organisation von Terminen kümmern. Diese Zeit könnte ich besser für Mitarbeitenden oder die Kinder nutzen.“
Alles Tätigkeiten, die für Janina Knott und die AWO nicht zwingend von einer ausgebildeten pädagogischen Fachkraft bewältigt werden müssten. Die Leiterin der rund 20 AWO Kindertagesstätten in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis hat deshalb zusammen mit anderen Kita-Fachleuten der AWO in NRW das Konzept „Das Kitasystem neu denken“ entwickelt. Wichtigste Säule des Konzepts: Fachfremde Arbeiten sollen von anderen Beschäftigten als den pädagogisch ausgebildeten Fachkräften durchgeführt werden. „Das wäre eine riesige Chance, mehr Arbeitskräfte für die Kitas zu gewinnen und gleichzeitig die Qualität der Arbeit zu steigern“, ist sich Knott sicher. „Wenn die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Zeit hätten, könnten wir den Kinderschutz optimieren, die pädagogische Arbeit stärken und die frühkindliche Bildung verbessern.“
Hilfskräfte als Schlüssel für mehr Personal und bessere Qualität
Dazu müssten aber die gesetzlichen Vorgaben für die Personalverordnung geändert werden. „Kita-Helferinnen müssen auch bei der personellen Mindestbesetzung anrechenbar sein“, fordert daher AWO-Geschäftsführerin Barbara König von der Landesregierung. Die AWO NRW schlägt eine Quote von mindestens 70 Prozent Fachkraftstunden und maximal 30 Prozent profilergänzender Stunden vor.
Diese zusätzlichen Mitarbeitenden stellen für die AWO „einen entscheidenden Faktor in der Bewältigung des Personalmangels in Kindertageseinrichtungen dar“, heißt es in dem Konzept.
„Die Entlastung würde auch wieder mehr Freude an der Arbeit mit sich bringen“, ist sich Janina Knott sicher. Außerdem brächte profilergänzendes Personal auch andere Erfahrungen mit in die Kita, von der alle profitierten.
„Voraussetzung ist eine Qualifizierung der nicht pädagogisch qualifizierten Mitarbeitenden – verbunden mit Perspektiven.“ So könnten diese Kräfte eine verkürzte Ausbildung zur Kinderpflegerin angeboten werden, schlägt die AWO vor.
Zweite Säule: Vorhandene Fachkräfte im System halten
Qualifizierung und Aufstiegschancen sind für die AWO in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis ein Schlüssel, um vorhandene Fachkräfte im System zu halten. „Wir haben nicht nur das Problem, dass wir neue Fachkräfte finden müssen“, schildert Barbara König. Alle Träger verlören auch gut ausgebildete Beschäftigte in den Kitas. Ursache sind aus Sicht von König Überlastung und fehlende Perspektiven. „Wir benötigen zusätzliche Ressourcen für die gestiegenen Anforderungen an die Leitungskräfte. Damit wären für die Beschäftigten Aufstiegschancen verbunden.“ Die AWO Bonn/Rhein-Sieg hat deshalb bereits begonnen, Tandem-Führungen in den Kitas einzuführen. „Dabei stoßen wir allerdings an finanzielle Grenzen“, sagt König, weil das niemand finanziere.
Ähnliches gelte auch für Zusatz-Qualifizierungen, ergänzt Janina Knott. „Wir bräuchten dringend mehr Geld für die Fachberatung zur pädagogischen Weiterentwicklung und Qualitätssicherung.“ Die AWO Bonn/Rhein-Sieg versuche diesen Bedarf heute schon mit themenspezifischen Fachleuten abzudecken. Auch das sei eine Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln.
Dritte Säule: Investitionen in die Ausbildung
Dabei sind sie nach Ansicht der AWO unerlässlich, damit Kitas nicht „reine Verwahranstalten“ blieben, wie Janina Knott es nennt, sondern auch Qualitäts-Standards einhielten, die in vielen Bereichen noch nicht ausreichend definiert seien. „Während im Handwerk nur Meisterbetriebe ausbilden dürfen, kann das in der Kita jede und jeder. Wir brauchen aber Ausbilderinnen und Ausbilder, die für Standards sorgen.“ Die AWO sebst hat bereits eigene Schulungen und Begleitungen für Ausbilderinnen und Ausbilder entwickelt, die Qualitätsstandards sichern.
AWO- Geschäftsführerin Barbara König sieht das Land in der Pflicht: „Das Land muss deutlich mehr in die Ausbildung und die Auszubildenden investieren. Angesichts der derzeitigen Probleme muss endgültig Schluss sein mit einer unbezahlten Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern.“ Kitas seien qua Gesetz Ländersache. Der Bund habe gerade erst vier Milliarden für die Qualitätsverbesserung in Kitas in den nächsten beiden Jahren bereitgestellt. „Jetzt muss das Land nachziehen. Die Landesregierung kann sich nicht mehr hinter dem Bund verstecken.“
„Die Zeit der rhetorischen Absichtserklärungen ist vorbei. Das Land muss sich jetzt bekennen – und investieren.“