Sonntag, 28. Mai 2023

Wähler wählen Politiker

Wähler wählen Politiker


Beobachtet man den Klimawandel seit 30 Jahren und was in der Ampel und außerhalb ihr so diskutiert, verlautbart und geschieht bleibt wohl nur die Frage: Seit ihr noch normal?

Da zankt man sich über Details beim Wärmegesetz oder lässt den Verkehrsminister allen CO2-Sparern die lange Nase zeigen anstatt ihm ins Verlängerte zu treten. Und es wird klar: Die allermeisten Politiker haben sicher keine Ahnung, um was es eigentlich geht. Das ist denen aber schlecht anzukreiden, weil sie ja nur das denken, wissen, können und tun, was auch ihre Wähler denken, wissen, können und tun, nämlich nichts und genau deshalb werden sie ja auch gewählt.

Anlass für diese Kolumne ist (1) „Welche Teile der Erde in 100 Jahren unbewohnbar sein werden“.
Darin geht es um die ökologische Nische, die alle Lebewesen auf der Erde haben und darum, dass die Lokalität der Nischen sich verschieben wird, weil die Nische insbesondere eine Klimanische ist. Die Nischen der einzelnen Lebewesen sind mal größer, mal kleiner, nur die des Menschen ist unbegrenzt – wenn man mal davon absieht, dass es auf einem begrenzten Globus ein Absurdum ist. Aber auch diese geglaubt unbegrenzte Welt weist Regionen auf, in der die menschliche Klimanische wenig komfortabel bis tödlich ist. Reden wir nicht von der Antarktis, da haben eh nie Menschen gelebt in dem Sinne, dass sie sich dort versorgen konnten.

Reden wir von den Wüsten, die so wie die Sahara, einmal eine gute Klimanische für Menschen war, bis sie nach gestiegenen Temperaturen nur noch ein paar wenigen als Lebensraum dienen konnte und die sich dort, bis auf ein paar in Oasen nicht selbst versorgen können, sondern vom Handel zwischen sich selbst versorgenden Bevölkerungen leben.

Solange die Menschen in der Alt- und Mittelsteinzeit global Jäger und Sammler waren, waren auch abrupte und große Klimaänderungen keine Katastrophe, es gab bei der vorherrschenden Bevölkerungsdichte genügend Raum zum Ausweichen in Regionen, die es erlaubten den gelebten Stil weiter ausüben oder ihren Lebensstil anpassen konnten. Das änderte sich in der Jungsteinzeit mit der „Erfindung“ der Landwirtschaft, weil Bauern schwerer in für sie nutzbare Regionen ausweichen können. Es war aber noch möglich, weil die Bevölkerungsdichte immer noch niedrig war und deshalb Räume gefunden werden konnten, die geeignet und noch nicht besetzt waren.
Das gilt für eine Welt mit 8 Milliarden auf dem Weg zu 9 Milliarden nicht mehr (2). Wenn also heute Menschen wegen der klimatischen Bedingungen nicht mehr bleiben können, wo sie leben treffen sie auf schon besetzte Räume. Und so wie in (1) dargelegt, werden die aus den armen Räumen versuchen in die reichen zu gelangen, besonders deshalb, weil die Räume, die den Klimawandel am schnellsten und deutlichsten treffen genau die sind, in denen besonders viel Menschen arm sind. Dabei werden heute schon die Räume der Reichen klimabedingt kleiner werden, wie gerade besonders in Spanien zu besichtigen ist (3). Ähnliches gilt für Italien, Frankreich oder auch Kalifornien.

Zurück zum Artikel. Dumme Wähler argumentieren, in 100 Jahren leben wir ohnehin nicht mehr und sie können sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass der Klimawandel ein Prozess ist, von dem sie je nach Geburtsdatum mehr oder weniger abbekommen. Und die Mehrzahl der Wähler denkt so sonst hätten sie anders gewählt. (*) Ihre Kinder und Enkel müssen ihnen wohl egal sein.
Gerade haben die Menschen im Mittelmeerraum mit Dürren im Frühjahr und extrem in Norditalien erlebt, was auf dem Weg zu 2100 so alles geschehen kann – erst viel zu wenig Wasser, dann Wasser viel zu viel. Oder blicken wir ein zwei Jahre zurück nach 2021 ins Ahr-, Erft-, Swisttal und viele andere Regionen Mitteleuropas. Sie alle haben schon erlebt, dass ihre Klimanische kein Schlaraffenland sein muss, wenn der Klimawandel für sie zur -katastrophe wird. Oder denken wir  an Pakistan, wo 2022 1700 Menschen in Fluten gestorben sind.

Das Forschungsteams aus Briten, Chinesen und Niederländern, dass sich mit dem Thema zukünftige Klimanischen für den Menschen beschäftigt hat kommt zu dem Schluss: „Künftig könnte ein Drittel der Weltbevölkerung in Gebieten mit bedenklich hohen Temperaturen leben. Besonders betroffen sind ärmere Länder“. Ob es ein Drittel oder „nur“ ein Fünftel wird, hängt von der Höhe der globalen Durchschnittstemperatur ab – das 1,5° Ziel ist eh nicht zu halten. Verantwortlich sind die Reichen in allen Ländern und besonders die Reichen in den reichen Ländern.

„Während die Ärmsten in Deutschland 2019 etwas über 3 Tonnen CO2 pro Jahr emittierten, waren es beim reichsten 1 Prozent etwa 105 Tonnen – also fast das 35-fache. Schaut man bei den Reichsten auf noch kleinere Gruppen, steigt diese Ungleichheit weiter an: Die Emissionen der reichsten 0,001 Prozent in Deutschland, etwa 800 Menschen, werden auf 11.700 Tonnen im Jahr geschätzt – das Tausendfache des deutschen Durchschnitts.“ (4) Der CO2-Fussabdruck von Äthiopierin und  Äthiopier im gesamten Durchschnitt, also Reiche und Arme, beträgt 0,2 Tonnen CO2 und Jahr.

(1) https://www.derstandard.at/story/2000146603713/welche-teile-der-erde-in-100-jahren-unbewohnbar-sein-werden
(2) https://www.3sat.de/wissen/scobel/scobel---es-werde-mensch-100.html#autoplay=true
(3) https://www.geo.de/natur/oekologie/klima--europas-groesstes-feuchtgebiet-verdorrt-33472640.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
(4) https://taz.de/Ungleiche-Emissionen-in-Deutschland/!5922585/

(*) Auch wenn der Autor den Grünen mehr zutraut als dem Rest des Parteienspektrums ist er keiner und glaubt auch nicht, dass sie das Problem lösen könnten, dazu sind auch sie zu sehr von denen abhängig, die sie wählen (siehe oben).