Professor Dieter Franke - Foto: H-BRS Sven Flessing |
„Auf dem Niveau, auf dem wir heute leben, werden wir es nicht in die Zukunft schaffen“
Durch die steigenden Energiekosten in den vergangenen Monaten ist Energiesparen für viele zur finanziellen Notwendigkeit geworden. Doch auch abseits von den Kosten müssen wir dem Thema eine höhere Bedeutung beimessen, sagt Professor Dieter Franke. Der Ingenieur ist Experte für Energieeffizienz an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) und lehrt unter anderem im Studiengang Nachhaltige Ingenieurwissenschaft. „Wir müssen so handeln, dass auch zukünftige Generationen noch genug von der Energie haben, die uns nun mal nur begrenzt zur Verfügung steht“, fordert er im Interview und gibt praktische Empfehlungen, wie jeder Einzelne seinen Beitrag leisten kann.
H-BRS: Herr Franke, am 5. März ist der internationale Energiespartag. Warum müssen wir überhaupt sparen?
Dieter Franke: Ganz einfach: Weil wir es uns nicht mehr leisten können, so viel Energie zu verbrauchen, wie wir das aktuell tun. Auf dem Niveau, auf dem wir heute leben, werden wir es nicht in die Zukunft schaffen. Wir müssen so handeln, dass auch zukünftige Generationen noch genug von der Energie haben, die uns nun mal nur begrenzt zur Verfügung steht. Das ist keine neue Erkenntnis, und es bedürfte eigentlich auch keines besonderen Tages, um uns daran zu erinnern. Es ist aber menschlich, dass wir solche Aktionstage benötigen, die uns auf wichtige Themen aufmerksam machen.
H-BRS: Große Konzerne haben einen hohen Energieverbrauch. Kann ich als Privatperson überhaupt etwas verändern?
Franke: Mit dem Finger auf andere zu zeigen, bringt uns nicht weiter. Ich habe schon viele Zeiten miterlebt, in denen sich unterschiedliche Gruppen gegenseitig die Verantwortung zugeschoben haben. Dafür ist es zu spät. Die Verantwortung liegt heute bei jedem Einzelnen, so zu handeln, dass wir auf der Erde noch eine lebenswerte Zukunft haben. Dazu muss die Politik Rahmenbedingungen schaffen, die Industrie muss Angebote schaffen und jeder Mensch muss in seinem privaten Umfeld nachhaltiger handeln.
H-BRS: Es fällt häufig schwer zu beurteilen, welche Maßnahmen überhaupt etwas bewirken. Was kann jeder Einzelne denn tun?
Franke: Wichtig ist vor allem eins: Die Entscheidung, was man tut um Energie zu sparen, sollte auf Daten basieren und nicht auf Gefühlen. Dazu muss man auch kein Ingenieur oder Ingenieurin sein. CO₂-Rechner, wie etwa vom Umweltbundesamt, können dabei helfen, den eigenen Energieverbrauch zu bestimmen. Jede Art der Energieverwendung kann man umrechnen in ein CO₂-Äquivalent. So ergibt sich auch unser persönlicher CO₂-Fußabdruck. Jeder Einwohner in Deutschland hat im Moment einen durchschnittlichen jährlichen CO₂-Ausstoß von gut elf Tonnen. Davon entfallen etwa 2,5 Tonnen für Heizung und Strom, zwei Tonnen für Mobilität und 1,5 Tonnen für die Ernährung. Das sind genau die großen Punkte, an denen wir ansetzen können.
H-BRS: Habe ich denn selbst zu Hause auch die Möglichkeit, meinen Verbrauch zu messen
Franke: Ja. Ich bin ein großer Freund von technischen Helfern, zum Beispiel von Strommessdosen. Das sind kleine Vorschaltgeräte, die man in die Steckdose steckt, um den Verbrauch von Elektrogeräten zu messen. Anhand dieser Daten weiß man dann, was die stärksten Stromverbraucher im Haus sind und kann entscheiden, ob man zum Beispiel selbst geerntete Äpfel den ganzen Winter über im Kühlschrank lagern möchte, oder ob das ein Bereich ist, den man sich im wahrsten Sinne des Wortes sparen kann. Lange gelagertes Obst ist gegenüber frisch geerntetem Obst immer mit einem höheren CO₂-Fußabdruck verbunden.
H-BRS: Haben Sie auch grundsätzliche Empfehlungen, mit denen jeder von uns starten kann?
Franke: Es gibt ganz klare Empfehlungen, die nicht nur von mir kommen: So sollte man im Winter die Raumtemperatur herunterdrehen. Das ist einer der größten Hebel, den wir zu Hause haben. Dann gilt es natürlich, Strom zu sparen, wo es möglich ist. Der nächste große Punkt ist, Ökostrom zu verwenden: Man muss hierzu keine Photovoltaikanlage selbst betreiben. Eine Unterschrift genügt, und man wird zu Hause mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt. Wenn wir Energie benötigen, dann sollte diese aus erneuerbaren Quellen stammen. Diese Art der Stromversorgung ist aktuell auch nicht viel teurer als der übliche Strommix aus der Steckdose. Das sind relativ niedrigschwellige Einstiegspunkte, die jeder von uns umsetzen kann.
H-BRS: Der Wärmebereich bietet das größte Sparpotenzial. Im Frühjahr und Sommer ist er aber kein großes Thema. Wo können wir in der warmen Jahreszeit am meisten bewirken
Franke: Wenn das Heizen jetzt im Sommer wegfällt, kann man sich auf die Bereiche Strom, Mobilität und Ernährung konzentrieren. Möglich wäre zum Beispiel, eine jahreszeitenabhängige Challenge daraus zu machen: Im Winter kümmere ich mich um die Heizwärme, dann nehme ich mir im Sommer meine Ernährung und meine Reisegewohnheiten vor. Auch hier hilft mir das Wissen darüber, wie hoch der Energieverbrauch – etwa eines Flugs nach Mallorca – ist, mich zu entscheiden, ob er notwendig ist oder nicht.
H-BRS: Ist eine solche Challenge auch in anderen Bereichen denkbar?
Franke: Ja, wie gesagt entfallen etwa 1,5 Tonnen CO₂-Äquivalent pro Jahr auf die Ernährung. Das kommt natürlich in erster Linie durch sehr fleischhaltige Ernährung. Sich eine Zeit lang vegetarisch oder vegan zu ernähren, kann sehr viel Spaß machen. Um das klarzustellen: Ich möchte keine Flugreisen verbieten. Ich möchte auch nicht verbieten, dass jemand Fleisch isst. Ich persönlich finde es aber sehr wichtig, wenn sich jeder Mensch bewusst macht, was er tut. Dann kann sich jeder auch bewusst für das eine und gegen das andere entscheiden Und ich hoffe natürlich, dass sich viele Menschen für eine energiesparendere Lebensweise entscheiden werden.