Sonntag, 11. September 2022

Verhandlungen mit Russland?

Verhandlungen mit Russland?


Russlands Ziel des Krieges unter Putin ist die Einverleibung der Ukraine in ein neues russisches Imperium. Es ist ihm bislang nicht gelungen, weil anders als das in Russland erzählt wird die Ukrainer nicht davon begeistert sind sich in einer neuen Sowjetunion wiederzufinden. Die ukrainische Verteidigung ihrer Freiheit ist einigermaßen erfolgreich mit der Unterstützung der demokratischen Staaten des Westens durch Waffenlieferungen. Das heißt, Russland erreicht sein Ziel bislang nicht, weil die Ukraine sich wehren kann.

In Deutschland gibt es Forderungen den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden zu beenden. Das geht einher mit der Forderung den Ukrainer keine Waffen zu liefern, womit sie wehrlos den blindwütenden russischen Kriegshorden gegenüber stünden. Forderungen nach einer Abrüstung Russlands hört man nicht.

Verhandlungen setzen voraus, dass beide Seiten etwas anbieten, worüber verhandelt werden kann. Das ist bei den Ukrainern nicht zu erkennen, weil sie mit Recht das zurück haben wollen, inklusive der Krim, was Russland bis dato besetzt hat. Dafür müsste Russland auf sein Ziel verzichten die Ukraine zu unterwerfen. Das ist absolut unrealistisch. Warum sollte Putins Russland auf sein Ziel verzichten, zumal mehr als Dreiviertel seiner Bevölkerung das Ziel der „Rückholung“ der Ukraine befürwortet und inzwischen zigtausende russische Soldaten gestorben sind und noch mehr verwundet wurden.

Das ist zwar Putin selbst und seiner Umgebung völlig egal – „tote Soldaten werden unsere Mütter ersetzten“ hatte ein hochrangiger Militär erklärt. Es könnte aber den Glauben an den großen Strategen ramponieren. Wenn Russland sich überhaupt mit irgendeinem Angebot zu Verhandlungen bereiterklärte, wird es das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Würde, wie von den Verhandlungs-Befürworten verlangt, den Ukrainern schweren Waffen verweigert, nutzte Russland das sicher um sein Ziel doch zu erreichen. Die Zeit der Verhandlungen gäben Russland die notwendige Atempause die offensichtlichen Schwächen seiner Armeen zu verringern um erneut „ausgeruht“ die Ukraine zu überfallen. Geht man dennoch von der unwahrscheinlichen Situation aus, es kämen Verhandlungen zustande und führten gar zu einem „Friedensvertrag“, stellte sich die Frage: Was wäre ein solcher Vertrag wert mit Putins Russland? Putin hat Verträge nur so lange eingehalten, wie sie seinen Expansionsgelüsten dienlich waren.

Sollte es, unabhängig von solchen Überlegungen, Russland gelingen die Ukraine zu unterwerfen, ist eher nicht zu erwarten, dass Putin sich damit zufrieden gibt. Als erstes werden wohl Moldawien per Zwang und Belarus z.B, über einen getürkte Volksentscheid „beitreten“.

Der russische Hass auf den Westen und besonders auf die, die das sowjetische Gewaltregime gegen eine westliche Demokratie eingetauscht haben wie die Balten, Polen, Tschechen ist gewaltig. In ihnen gibt es wohl keine Gruppen, die ein Waffenembargo für die Ukraine forderte und von Verhandlungen gar nichts hält.

Auch große Teile des Balkans, die heute zum Teil EU-Mitlieder sind, waren einst Teil des von Russland dominierten Sowjetimperiums. Wenn man vom Holocaust absieht, der global und historisch einmalig war, ist das Gebaren Russlands unter Putins durchaus mit den Eroberungsfantasien und Kriegen Hitlerdeutschlands vergleichbar.

Eine besondere Bedeutung für die, die Verhandlungen wollen, hat die mögliche Drohung mit Atomwaffen. Dazu muss man anmerken, dass Atomwaffen von russischer Seite im aktuellen Konflikt sicher nicht eingesetzt werden, wenn sich die Ukraine durch Russland entwaffnen ließe. Aber wie ginge es dann weiter, wenn Russland sich nach Einnahme der Ukraine auch anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion widmete und dort der Widerstand vielleicht noch stärker wäre? Wird Russland dann Atomwaffen einsetzen?

Sollen die genannten Staaten – inklusive der fünf „neuen“ Länder Deutschlands gleich unter der Androhung kapitulieren? Und was ist, wenn die Sowjetunion wieder erstanden ist. Ist dann der Rest Deutschlands und Europas sicher vor Drohungen mit Atomwaffen?
Brauchen könnte Putin die prosperierenden Staaten um sein schrottiges Russland aufpäppeln zu können.

Vergessen wir nicht 75% der Russen sehen den Westen – was immer sie darunter verstehen mögen – als Feinde, als Gesellschaften, die den Russen dienen könnten und sollen.

Wie die meisten Russen denken mag deren Meinung zu dem Friedensnobelpreisträger Gorbatschow zeigen.

Peter Schürkes


Zum Thema sei auf die folgende Seite verwiesen:

https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/internationale-politik/id_100047020/russland-gegen-den-westen-in-dieser-hinsicht-sind-wir-putin-bei-weitem-ueberlegen-.html

Aus dem Interview mit Heinrich August Winkler, Emeritus für Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin:

„Es ist mir unbegreiflich, wie Deutschland nach der Krim-Annexion sehenden Auges weiter in dieser einseitigen Energieabhängigkeit von einer expansiven Macht wie Russland bleiben konnte. Da haben wirtschaftliche Interessen den Ausschlag gegeben.“…

„Vertrauen können wir Putin niemals mehr – auch wenn wir wieder mit ihm sprechen müssen. Putin hat spätestens 2014 mit der Besetzung und Annexion der Krim deutlich gemacht, dass er sich nicht mehr an die nach dem Ende des Kalten Krieges in der Charta von Paris festgelegte europäische Friedensordnung hält. Damals haben sich sämtliche Mitgliedsstaaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa wechselseitig ihre nationale Souveränität und territoriale Integrität sowie das Recht auf freie Bündniswahl zugesichert.“…

„Bei manchen deutschen Politikern und vor allem Ex-Politikern hatte ich selbst noch in den letzten Jahren das Gefühl, dass sie sich in Bezug auf das deutsch-russische Verhältnis in einer Art Großmachtrolle wähnten. Wenn sich Deutschland und Russland verstehen, dann sei im östlichen Mitteleuropa alles in Ordnung.“…

„Russland hat sich historisch vollkommen anders entwickelt als die Staaten des Westens. Im Westen bildete sich seit der ansatzweisen Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt im hohen Mittelalter eine Tradition der Gewaltenteilung und des Rechtsstaates heraus, die es so in dem von der byzantinischen Orthodoxie geprägten Russland nie gegeben hat. Dort war alles der Oberhoheit des Zaren unterworfen, eine rechtsstaatliche und freiheitliche Tradition konnte sich hier nicht herausbilden. Was es bis zur russischen Oktoberrevolution 1917 trotzdem an bürgerlichen und rechtsstaatlichen Errungenschaften gab, wurde unter den Bolschewiki zerstört.“…

„Putin darf aus dem Krieg nicht als Sieger hervorgehen, weil das die ohnehin marginalisierte Opposition und die Zivilgesellschaft weiter schwächen und Putin zu weiteren Aggressionen ermutigen würde.“…

„Es ist anmaßend, den angegriffenen Ukrainern vorschreiben zu wollen, auf welche Art und wann sie diesen Krieg zu beenden haben. Sie haben jedes Recht, ihr Land zu verteidigen. Die Bundesregierung unter Olaf Scholz hat klipp und klar erklärt, dass niemand der Ukraine einen Frieden aufzwingen darf und Deutschland sie mit Waffen unterstützen wird, solange es nötig ist. Das ist gut und richtig.“…

„Falls sich Putin durchsetzt und er den Eindruck gewinnt, dass der Westen ihn gewähren lässt, wird die Ukraine in seinem Expansionsstreben sicher nicht die Endstation sein. Der Westen müsste dringend geschlossen handeln, er tut es aber nicht.
In Europa stellen Polen und Ungarn mit der Aushebelung des Rechtsstaates westliche Werte der EU infrage.“


Putins Kriege
Tschetschenien, Georgien, Syrien, Ukraine –
was sind die Motive des russischen Präsidenten? Dazu:
https://zdfheute-stories-scroll.zdf.de/putin-kriege-ukraine/index.html